Bericht und Denkanstoß von Florian

Da das Jahr 2016 in einem Höllentempo die ersten Monate abgespult hat, bin ich kaum dazugekommen Delta Cultura Neuigkeiten zu verbreiten. Dieser Bericht soll dafür entschädigen und dem möglichen Eindruck entgegenwirken, dass sich im Bildungszentrum Tarrafal nix tut. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass die 250 eingeschriebenen Kinder wie (beinahe) eh und je bei uns im Zentrum Hausaufgaben machen, Kunstunterricht geniessen (und dabei ihr Faible für Weissleim ausleben), Fussball spielen, die Welt der Informatik kennenlernen, herumblödeln, sich Steine an den Schädel schmeissen, die Bäume des Zentrums erklettern und Vieles mehr. Über das Meiste freuen wir uns unbeschreiblich, bei Manchem schreiten wir liebend ein. Und um konkreter zu sein: wir freuen uns über alles was die Kinder mit Begeisterung machen. In den ersten Monaten des Jahres hat auch unser neues Projekt Fahrt aufgenommen: der Kindergarten. Zunächst einmal bürokratisches Zeugs. Wir brauchen ja die staatliche Genehmigung um einen Kindergarten machen zu dürfen. Aber alle zuständigen Stellen sind sehr begeistert von dem Projekt Kindergarten. Von der Gemeinde bis zum Bildungsministerium. Bürokratische Hürden sollten wir also mit Links nehmen. Auch den Raum für den Kindergarten haben wir bereits bestimmt. Wobei natürlich das gesamte Bildungszentrum für alle Kinder zur Verfügung steht. Derweil haben wir noch nicht vor die Kindergartenkinder in einen Raum zu sperren bis sie endlich gross genug sind um sich in eine Schule zu setzen wo ihnen dann beigebracht wird, dass lernen und spielen zwei grundsätzlich verschiedene Dinge sind. Bürokratie und Raum sind also auf gutem Wege. Und seit Anfang April hat das Bildungszentrum Tarrafal auch erstmals eine richtige Tante. Eine Kindergartentante. Elviny genannt Viny. Sie hat ihre neue Stelle mit viel Enthusiasmus und Energie angefangen und macht dem Projektleiterchen (nach all den Jahren wieder ein chen Rückfall) ständig Druck die Dinge in Gang zu bringen. Pädagogisches Konzept, Ausstattung des Kindergartens (was gibt es hier, was müssen wir in Europa besorgen), Adaptierung der Küche, Kantine, WCs … Viny wird mit Bestimmtheit dafür sorgen, dass Alles rechtzeitig fertig wird. Sie war übrigens eine ganz ausgezeichnete Schülerin und Studentin. Immer unter den Besten. Offensichtlich für dieses Schulsystem geeignet … und wie es aussieht auch als pädagogische Leiterin des Kindergartens Delta Cultura. Wir freuen uns also auf die 25 vier-jährigen Kinder die ab September des Jahres das Bildungszentrum bereichern werden. Mögen sie nach kürzester Zeit besser Portugiesisch können als ich selbst. Sehr gut entwickelt hat sich in den letzten Monaten die Sache mit den Freiwilligen aus Portugal. Wobei sie natürlich nicht freiwillig aus Portugal sind – noch können wir uns unseren Geburtsort ja nicht aussuchen und müssen mit dem zurechtkommen was uns die freiwilligen Eltern und der eigenwillige Staat so mitgeben … womit ich erfolgreich den Faden verloren habe und nochmals von vorne anfangen muss … Es kommen in letzter Zeit also ganz freiwillig viele Freiwillige, die unfreiwillig in Portugal geboren wurden, ins Bildungszentrum Tarrafal. Delta Cultura hat sich dort auf einer Internetplattform eingeschrieben (Para onde) und wie es scheint ist Kap Verde und das Bildungszentrum ein attraktiver Ort für sozial engagierte Menschen aus Portugal. Der Bildungszentrumsalltag sieht seit Monaten zumindest immer eine Freiwillige (bisher kamen nur Frauen, im Mai erstmals ein Mann) bei der Arbeit mit den Kindern. Was uns dabei besonders freut ist, dass einige nach kurzer Zeit wiederkommen. Die Arbeit mit den Kindern gefällt ihnen offensichtlich. Diesen Erfolg können wir uns allerdings nicht ausschliesslich auf unsere nicht vorhandene verfluchte Fahne heften sondern müssen diesen Erfolg mit den Rastas Tarrafals teilen. Deren charmante Art lässt portugiesische Frauenherzen reihenweise schmelzen … Das Bildungszentrum hat dem Ansturm der Freiwilligen aus Portugal eine weitere verbessernde Anpassung zu verdanken. Das Portugal Haus. In einem der Gebäude des Bildungszentrums darf jetzt ausschliesslich portugiesisch gesprochen werden. Und natürlich ist eine der Freiwilligen dort als Betreuerin anwesend. Verschiedene Spiele werden dort angeboten und unter Folterandrohung werden die Kinder angehalten portugiesisch zu sprechen. Der Kunstunterricht, betreut von Alejandro dem spanischen Künstler der seit Oktober 2015 bei uns angestellt ist, entwickelt sich grossartig. Der Kunstraum selbst wird immer mehr zu einem eigenen Kunstwerk … Alejandro findet es nicht lustig wenn das Projektleiterchen dort intervenieren will … ich lasse ihn natürlich. Es ist mir fremd spanischen Künstlern ins Handwerk zu pfuschen. Die letzte Delta Cultura Kunstaktion war das bemalen einer grossen Mauer die im Dorfzentrum zum Hafen runterführt. Alejandro hat mit Kindern gemeinsam die Motive ausgesucht, dann auf die Wand vorgezeichnet und die Kinder haben es ausgemalt. Am Ende sollten alle Kinder in einem dafür vorgesehenen Bereich unterschreiben … eine grossartige Idee, aber die Kinder dabei kurz unbeaufsichtigt zu lassen weniger … binnen kürzester Zeit hatten alle Kinder ihre Hände in den Farbtöpfen und anstatt zu unterschreiben waren die Kunstwerke mit Handabdrücken versehen … Künstler Alejandro und seine künstlerischen Kinder liefern reihenweise Anekdoten dieser Art mit denen man ein Buch füllen könnte. Er ist wirklich eine grosse Bereicherung für die Kinder und Jugendlichen des Bildungszentrums. Auch im Fussballbereich ist 2016 bereits Unglaubliches passiert. Nach bald einmal 14 Jahren ist es uns endlich gelungen uns beim Verband anzumelden. Jetzt kann Delta Meisterschaft spielen. Erstmals gibt es in der Saison 2015/2016 in unserer Region erste und zweite Division. Wir spielen in der zweiten Division, haben mit zwei Niederlagen gestartet, dann aber in Barcelona Manier die Gegner schwindlig gespielt und 3 Siege und ein Unentschieden folgen lassen. Damit sind wir weiter im Rennen um den Aufstieg, allerdings mit wenigen Chancen. Macht aber nix. Die Teilnahme ist es, die uns freut und uns Ansporn gibt auch den Fussballbereich weiter zu verbessern. Als letztes Highlight möchte ich die zweiwöchigen Trimester Ferien erwähnen. Immer schon haben wir die Ferien dazu genutzt um abseits von Hausaufgaben, stillsitzen und „Pappn hoidn“ (nobler wienerische Ausdruck für keine Laute von sich geben) bei den Kindern beliebtere Aktivitäten anzubieten. Es ist und dies aber selten zu unserer Zufriedenheit gelungen. Also hat das Projektleiterchen bei seinen Angestellten immer sanften Druck ausgeübt sich in diesem Bereich doch bitte zu verbessern. In den erwähnten Trimester Ferien ist es uns diesmal sehr gut gelungen das Zentrum mit unterschiedlichen Aktivitäten zu bevölkern. Es gab ein Fussball 3 Turnier (ein Spiel bei dem es auch für selbst aufgestellte Fairplay Regeln Punkte gibt), einen Buchstabierwettbewerb, eine Art Kreuzworträtselwettbewerb im Internet und die oben erwähnte Malaktion an der Hafenmauer. An dem Fussballturnier haben auch Kinder und Jugendliche aus Tarrafal und Umgebung teilgenommen die nicht in die täglichen Programme eingeschrieben sind. Es war immer sehr ausgelassene, gute Stimmung im Bildungszentrum. Natürlich könnte ich noch lange weitererzählen, auch von Dingen die weniger gut gelungen sind … allen voran des Projektleiters abermaliger Abstieg zum Projektleiterchen (… genau genommen ist es natürlich ein Aufstieg, aber das liest sich auf den ersten Eindruck nicht so …). Da es niemals sinnvoll ist einen Bericht mit, auf den ersten Blick, Blödsinnigkeiten zu beenden, möchte ich mit der freudigen Nachricht schliessen, dass Delta Cultura den Menschenrechtspreis 2015 hier in Kap Verde gewonnen hat. Sehr erfreulich für uns und vollkommen unerwartet. Normalerweise bekommen derartige Preise nur Vereine aus der Hauptstadt Praia die gewisse Nähe zu den Mitgliedern der Jury und den Parteien haben. Ein Umstand der diesen Preis noch wertvoller erscheinen lässt. Wir freuen uns wirklich sehr und bedanken uns für die erhaltenen Gratulationen. Und Schluss. Florian Wegenstein Projektleiter… Bildungszentrum Tarrafal

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