Denkanstoß und Bericht von Florian Wegenstein

Die Flüchtlingsströme dieser Welt werden größer und größer, das Elend immer grauenhafter, Verwesungsflüssigkeiten tropfen von Lastwägen, tote Kinder werden an die Küsten gespült… kein empathischer Mensch erträgt das… und trotzdem passiert es weiterhin Tag für Tag, Stunde um Stunde… Ich finde, es ist an der Zeit aufzuhören von einer gebildeten westlichen Welt zu reden. Es ist hinderlich den Bildungsbegriff so zu missbrauchen. Die westliche Welt zettelt Kriege an, profitiert wirtschaftlich davon, schließt die Grenzen damit angehäufter Reichtum nicht geteilt werden muss… würde das ein gebildeter Mensch machen? Ist das ein System, das auf Bildung aufbaut? In meinem Verständnis verhindert Bildung derartige Tragödien. Wissen verhindert es ganz offensichtlich nicht, denn wir wissen ja genau wie es zu diesen Tragödien gekommen ist, wir können sie geschichtlich erklären, Zahlen und Statistiken nennen, Flüchtlingsrouten kennen wir auch … Wenn Wissen also nicht das ausschlaggebende Element der Bildung ist, was ist es dann? Wir glauben weiterhin daran, dass Bildung Armut abschaffen kann. Aber dazu müssen wir den Bildungsbegriff ständig hinterfragen und reflektieren … und das tun wir in unserer Arbeit. Hier ein kurzer Bericht über die vergangenen Monate im Bildungszentrum: Die Sommermonate waren wie üblich ruhiger als der Rest des Jahres. Nachdem die öffentlichen Schulen hier von Ende Juni bis Mitte/Ende September geschlossen sind, ruht das Bildungszentrum nur im August. Im Juli gab es das inzwischen traditionelle Camp-Wochenende im Zentrum: Spiele, Diskussionsrunden, Kunst, Essen, Nicht-schlafen-wollen und was halt so alles dazugehört. Die Kinder und Jugendlichen lieben diese Tage und reden schon Monate vorher davon. Im August waren wie gesagt die grossen Ferien für alle: Kinder, Jugendliche, Erzieherinnen und Erzieher, Projektleitung … nur Wächter und Wachhund waren angehalten den Sommer Sommer sein zu lassen. Anfang September geht es dann wieder los. Zunächst noch ohne regelmäßigen Betrieb mit den Kindern und Jugendlichen. Die kommen – wie übrigens im August auch – zwar schon regelmäßig ins Zentrum, weil der Kunstrasenplatz lockt, aber die betreuten Bildungsprogramme beginnen erst nachdem wieder alles eingeteilt ist… sprich, wenn die Kinder wissen ob sie Vormittags oder Nachmittags in die öffentlichen Schulen gehen. Das kann schon auch bis Ende September dauern… Wir nutzen diese Zeit hauptsächlich für Meetings zur Verbesserung der Bildungsprogramme und des täglichen Ablaufs, zur Pflege unserer Datenbank, zum Putzen des Zentrums und natürlich für Internetrecherche zu neuen Spielen und Trainingsformen. Vor allem die Reflexion über unsere Arbeit ist uns in dieser Zeit ganz wichtig. Natürlich gibt es das ganze Jahr hindurch wöchentliche Sitzungen, in denen reflektiert und verbessert wird, aber die Zeiten, in denen die Kinder nicht das Zentrum bevölkern sind für tiefergehende Überlegungen wertvoller. Und notwendig, wenn wir unsere Vision mit Bildung Armut abzuschaffen nächste Woche erreichen wollen. Und das müssen wir ja. Was sollen wir den vielen Kindern und Jugendlichen denn sonst sagen?… “Tut uns leid, ihr habt leider keine Chance im Leben. Ihr seid am falschen Ort und in der falschen Bevölkerungsschicht geboren worden. Aber wenn alles so läuft wie sich die UNO das vorstellt, könnte es sich ausgehen, dass eure Enkelkinder einmal ein besseres Leben haben werden.”… Das könnte demotivieren. Also besser Geschichten erfinden? Die Schulbildung wird dich aus der Armut bringen. Wer fleißig ist kann es zu was bringen… Also was jetzt? Wahrheit oder Lüge?… ein Dilemma… Gespräche, die immer einen fahlen Beigeschmack hinterlassen. In all unseren Überlegungen, wie es uns gelingen kann den Kindern und Jugendlichen ihr natürliches Interesse am Lernen wiederzugeben, stoßen wir auf das Problem der Zeit. Die Kinder sind bis zu 6 Stunden pro Tag in der Schule, wo ihnen ein Großteil ihres Interesses genommen wird, dann sind sie 3 Stunden bei uns, in denen wir mit ihnen die Hausaufgaben machen müssen… und dann bleiben noch zwei Stunden für andere Dinge. Zu Hause wird dann nach den Noten gefragt und geprügelt wenn sie schlecht sind… Noch ein Dilemma also, das aber leichter zu beseitigen ist. Eine alternative Schule! Kostenlos natürlich. Dann hätten wir viel mehr Zeit mit den Kindern… Da wollen wir also hin! Ist noch ein bisschen Weg vor uns, aber es ist absehbar. Ein erster Schritt in diesem Projekt ist die Abklärung der rechtlichen Dinge. Mit dem Beginn des Schuljahres 2015/2016 gibt es zwei wesentliche Neuerungen. Von denen eine aber gar keine Neuerung, sondern die gesicherte Fortführung einer Aktivität ist, die seit Anfang Jahres die Kinder und Jugendlichen bildet. Der Kunstunterricht. Alejandro Garcia Rosario, der spanische Künstler der den Unterricht leitet, ist jetzt im Bildungszentrum angestellt und wird hoffentlich die kommenden 50 Jahre die Fantasie und Kreativität der Kinder und Jugendlichen anregen. Diese Eigenschaften könnten es den Kindern erleichtern ihren Lebensweg trotz der oben erwähnten schlechten Voraussetzungen positiv zu gestalten. Die zweite Neuerung ist Musikunterricht, der dieser Tage seinen Anfang nehmen wird. Zuständig ist Marisa, die ja auch schon die zwei Batucogruppen seit 10 Jahren führt. Sie wird den Kindern zunächst Gitarrenunterricht geben, aber auch Batucadas (brasilianische Samba-Trommel-Stil) organisieren. Weiters sind wir bemüht für Marisa Fortbildungen im Musikbereich zu organisieren. Zu verdanken haben wir diese Initiative auch der Georg Kraus Stiftung die den Musikbereich mitfinanziert. Zusätzlich zu diesen zwei Neuerungen bereiten wir auch die nächste Erweiterung vor: einen Kindergarten. Schon des längeren schwirren hierzu Ideen dazu in unseren Köpfen. Vor allem deshalb, weil wir glauben, dass das Problem mit der portugiesischen Sprache, unter dem alle Kinder und Jugendliche hier leiden, nur dann wirklich gelöst werden kann, wenn die Kinder schon früh diese Sprache lernen und sie davon abgehalten werden können, dass Portugiesische als eine reine Schulsprache anzusehen, die ausschliesslich im Klassenzimmer gesprochen wird… Es ist unserer Kooperation mit den Memory Sport Camps zu verdanken, dass wir dieses Projekt bis September 2016 gewissenhaft vorbereiten können, um dann im Schuljahr 2016/2017 loszulegen. Abschliessend gibt es noch von einer Weiterbildung zu berichten, die dieses Jahr zum dritten Mal im Bildungszentrum Tarrafal stattfindet. ‘Coaches Across Continents’ hat uns wieder zwei Trainer geschickt, Markus Bensch und Frederick Schwarzmaier, die in einem zweiwöchigen Lehrgang Fußballspiele rund um soziale Themen beibringen. Auch dieses Jahr nehmen neben einem Trainer von Delta Cultura auch Lehrer und Trainer anderer Vereine an der Ausbildung teil. Ich hoffe, ich konnte allen Leserinnen und Lesern deutlich darlegen: wir sind auf dem Weg… durch Bildung Armut abzuschaffen. Mit eurer Unterstützung bewältigen wir das bis… (bitte ausfüllen). Liebe Grüße, Florian Wegenstein
Coaches Across Continents Weiterbildung

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Wandmalerei im Bildungszentrum

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