Zwei Möglichkeiten gibt es den Bericht des Projektleiters zu lesen. Ihr könnt euch den Bericht hier als pdf herunterladen, dann habt ihr den langen Text mit schönen Fotos aufgelockert, oder ihr lest ihn hier im Blogbeitrag als ‘nur Text’. Viel Vergnügen!
Endlich wieder einmal ein richtiger Monatsbericht aus Tarrafal. Diesmal für den Monat Januarfebruarmärzapril 2010.
Angefangen hat das Jahr auch hier mit Feiertagen. Jahreswechselfeiertage! Nicht zu verjahreswechseln mit Wechseljahrefeiertagen! In Tarrafal folgen immer umgehend die Santo Amaro (Dorfheiliger) Feiertage, die sich mit Vorbereitungs- und Erholungstag auf zumindest eine Woche erstrecken. Und wäre Feiertag nicht ein so schönes Wort hätte ich es im vorherigen Satz nicht so oft verwendet.
Kaum war der Dorfheilige gebührend gefeiert kam auch schon der Karneval.
Aber trotzdem haben wir von Delta Cultura in diesen gefeierten Tagen auch gearbeitet. Erfolgreich gearbeitet:
Kinder und Jugendliche können jetzt besser fussballspielen, besser Hausaufgaben machen, besser nachhelfen, besser computerisieren, besser Batuku trommeln, singen und tanzen, besser malen und vieles, vieles mehr.
Und um nicht in den Verdacht zu geraten schönzufärben möchte ich auch ein paar Dinge aufzählen in denen die geliebten Kinder und Jugendlichen nicht besser geworden sind: Skifahren, Revolution anzetteln, Zähne putzen, Mülltrennung, Aus- Ein- und Wandern, und vieles, vieles mehr.
Von Erfolg gekrönt war auch die Arbeit von Delta Cultura Österreich. Den unermüdlichen Bemühungen von Liz und Ariane war es zu verdanken, dass der österreichische Verein erstmals öffentliche Unterstützung bekommt! Die ADA – Austrian Developement Agency – fördert ab Juli 2010 ein 10 monatiges Bildungsprojekt für Mädchen im Kinder- und Jugendzentrum Tarrafal.
Vieles an dieser Tatsache freut mich besonders:
– wie schon erwähnt, erstmals eine Förderung des ‚öffentlichen Österreichs’. So viele Jahre versuchen wir das schon. JETZT ist es gelungen. Wie wir alle hoffen und wofür wir konsequent arbeiten werden, ist dies der Beginn einer neuen, Jahrhunderte währenden, Kooperation.
– es ist ein Projekt für Mädchen. Da wir mit der Fussballschule ja hauptsächlich Buben fördern bewegen wir uns auf das angestrebte Gender-Gleichgewicht zu!
– es ist ein Motivationsschub für Delta Cultura, den wir gar nicht gebraucht haben weil unsere Motivation sowieso unglaublich hoch ist!
Und wie es das Leben eben so macht, kommt nicht nur Unglück selten allein sondern auch Glück. Zum Glück.
In diesem Falle kam das Glück als Georg Kraus Stiftung verkleidet. Oder IST diese Stiftung das Glück und hat sich gar nicht verkleiden müssen? Egal. Wichtig und wie es der Zufall so will (ob sich der auch manchmal als Stiftung verkleidet?) kam praktisch gleichzeitig eine Förderungszusage der erwähnten Stiftung. Sie werden ein Jahr lang eine Informatikausbilderin finanzieren.
Womit sich nicht nur Eines ins Andere, sondern auch Alles ins Ganze fügt. Aber das tut es ja eh immer. Was soll Alles auch anderes tun? Wohin könnte es sich sonst fügen wenn nicht ins Ganze. Es gibt ja ausser dem Ganzen gar nichts. Und auch ausser Alles gibt es nichts. Alles fügt sich ins Ganze ist also vollkommen blödsinnig und darum sagt es wahrscheinlich auch nie jemand.
Alles was ich sagen wollte: die vom ADA Projekt geförderten Mädchen bekommen (unter anderem) von einer ausgebildeten Lehrerin Hausaufgabenhilfe und Nachhilfeunterricht. Dank Förderung der Georg Kraus Stiftung können wir den Mädchen zusätzlich die Informatikwelt näherbringen. Und diese Ausbildung wird eine Absolventin des dreimonatigen Informatikkurses der gerade läuft übernehmen. Gut gefügt und ich freue mich wirklich darüber.
Das ist die Art von Erfolg die mir Kraft für die Alltagsbewältigung gibt. Und Alltagsbewältigung ist eine verfluchte Herausforderung. Wenn ich dem idiotischen Erfinder des Alltags begegne knall ich ihm eine. Es sei denn es ist der liebe Gott. Mit ihrihm möchte ich mich nicht auf eine Schlägerei einlassen. Ich befürchte da würde ich den Kürzeren ziehen …
Übrigens! Das mit den Ausschweifungen in meinen Berichten kam so: einer hat mir erzählt er lese nüchterne Sachberichte nie, verwende sie aber sehr gerne und hingebungsvoll zur Reinigung seines Allerwertesten. So! Das hat mir also einer gesagt! Einfach so! Und jetzt?! Jetzt sitze ich und konzentriere mich auf das nüchterne Sachberichtschreiben … bis mir dieser Eine einfällt wie er gerade mit meinem Bericht … na, ich will gar nicht daran denken, da schweif ich lieber ab.
Wochen sind vergangen seit ich die Absätze da oben verfasst habe. Inzwischen ist Mitte April und schon wieder hat sich so viel getan, dass ich Seiten füllen könnte.
Es passieren viele Gute und viele schlechte Dinge. Gleichzeitig. Hintereinander. Übereinander. Nebeneinander. Untereinander. Ineinander. Unvorhersehbar.
Die Wochen vor und nach Ostern waren turbulent. Viel Besuch. Ganz zuerst kamen Janina und Tobias von Delta Cultura Deutschland. Die Beiden haben bei Fu gewohnt und ich habe sie leider viel zuwenig zu Gesicht bekommen!
Es folgte Liz, die Vereinsobfrau von Delta Cultura in Österreich, mit Mann Bernie und Sohn Josef. Sie waren zunächst im Nachbarhaus und dann in der letzten Woche bei uns untergebracht. Eine Woche später dann zwei Delegationen: Aus der Schweiz meine Schwester Angelina mit Freundinnen Salsabila und Nafissa mit ihrem Sohn. Aus Österreich Familie Umathum. Vollständig: Ariane, Josef, Judith und Lukas. Und mit ihnen Maria Reininger vom Österreichischen Rundfunk, die kam um einen einwöchigen Audioworkshop zu leiten. Nicht zu vergessen deren Tochter Jana.
Und wer jetzt glaubt wir hätten Eier bemalt, versteckt und gefunden der täuscht sich gewaltig. Wir haben geworkshopt, haben uns versammelt – immerhin waren Vertreter von Delta Cultura Österreich, Deutschland und Cabo Verde anwesend – wir haben besprochen, überlegt, analysiert und philosophiert! Wir haben gestritten, gerungen und gesungen. Wir haben Tarrafal in Fischerbooten verlassen, die zur Verwunderung von einigen panischen Vereinsmitgliedern nicht untergegangen sind, wir haben gepicknickt und auch sonst oft gemeinsam gegessen. Marisa hat 3 Wochen lang praktisch täglich für mindestens 15 Leute gekocht. Nebenbei auch noch ihre Arbeit im Zentrum erledigt, sich um ihre 4 Kinder gekümmert, den Haushalt geführt, einen jähzornigen Ehemann in Schranken gehalten und mit zwei Batukugruppen geübt und Auftritte absolviert.
Bei den Treffen aller 3 Delta Culturas ging es hauptsächlich um mögliche Verbesserungen in der Kommunikation untereinander, um allgemeine Überlegungen wie sich das Zentrum und die Aktivitäten von Delta Cultura langfristig finanzieren lassen und leider viel zu wenig darum wie man die Welt auf einen Schlag verbessern könnte.
Dabei wäre es ja so leicht: Zinsen abschaffen und Schulden streichen. Man könnte dann noch – wenn man ganz gründlich sein will – Weltbank und Weltwährungsfond abschaffen, den Obama, Putin, Sarkozy (Sarg? Kotzi?) und Merkel auf den Mond schiessen und noch ein paar weitere Reinigungsarbeiten und Mondlandungen durchführen. Zinsverbot und Schuldenabschaffung würden für den Anfang aber durchaus reichen.
Aber das nur so nebenbei … Nein, nix nebenbei! Nicht vergessen! Ist wichtiger als alles andere was auf diesen Seiten geschrieben steht. VIEL wichtiger. Weil es gilt erstmals zu beweisen ob es Delta Cultura und das Kinder- und Jugendzentrum überhaupt noch brauchen würde, wenn Zinsen und Schulden verschwinden.
Wir von Delta Cultura sind trotzdem zusammengesessen und haben überlegt wie wir die Betriebskosten des Zentrums langfristig finanzieren können. Das ist ja schon des längeren Thema. Wir werden diesbezüglich auch stetig besser, sprich haben mehr Spendeneinnahmen und in Kürze wird es ja auch Delta Cultura Deutschland geben, aber auf dem Weg zu unserem Ziel – der vollständigen Finanzierung der Betriebskosten durch Spendeneinnahmen der beiden europäischen Delta Cultura Vereine – fehlt uns leider immer noch ein Stück. Ein Stück Geld.
Die jährlichen Betriebskosten belaufen sich auf rund 38.000€ (da ‚passieren’ die Fussballschule mit Hausaufgabenbetreuung, die Batukugruppen, die Abendkurse und das fortwährende Finden von weiteren Finanzierungen) …
So! Und an dieser Stelle wird jetzt endlich, endlich, endlich ein Wettbewerb gestartet. Ich weiss gar nicht wie ich all die Berichte schreiben konnte ohne einen einzigen Wettbewerb auszuschreiben?! Und es handelt sich nicht nur um einen stinknormalen Wettbewerb. Nein! Es ist ein Ideenwettbewerb.
Und das heisst nicht, dass der Gewinner eine Idee gewinnt. Schliesslich gewinnt man Ideen nicht sondern hat sie. Daher auch dieser Ideenwettbewerb. Er ersetzt in diesem Bericht die inzwischen schon saulangweilig gewordene Bitte um Spenden für die Betriebskosten. Ich kann das ja selber schon nicht mehr hören. Natürlich lehnen wir Spendenangebote weiterhin nicht ab und halten damit weiterhin das Werkl am laufen, aber jetzt wollen wir auch mal langfristig denken. Und Ideen hören. Ideen wie man die Betriebskosten eines Kinder- und Jugendzentrum auf 20 Jahre finanziert.
Selbstverständlich sind alle, alle Ideen herzlichst willkommen. Wir von Delta Cultura sind für alle Schandtaten zu haben, solange dabei kein Diebstahl passiert, niemand zu Schaden kommt und keine öffentlichen Stellen involviert sind. Letztere deshalb nicht, weil ich ja von 20 Jahren geredet habe und nicht von Legislaturperioden. Das soll nicht heissen, dass wir diese lieben öffentlichen Stellen links liegen lassen. Sicher nicht. Aber für Betriebskostenfinanzierung sind diese nicht zu gewinnen.
Also! Ich erwarte tausende und abertausende Ideen zur Betriebskostenfinanzierung. Die 20 besten Ideen werden umgesetzt und die besten 3 Ideengeber dürfen sie umsetzen! … Oder lieber doch nicht? Ich will ja nicht abschrecken. Also lieber: der besten Idee winken Lob, Ruhm und Ewigkeit! Mehr will eine Idee ja eh nicht.
Bitte liebe Leser! Im nächsten Bericht will ich von den vielen guten Ideen erzählen die mir zugesandt wurden! Und von den vielen guten Betriebskosten die ich Dank dieser Ideen finanziert habe.
Das war jetzt aber ein langer Abschweif. Zurück zum Osterhasentreffen in Tarrafal. Es hat nie stattgefunden. Die Portugiesen haben seinerzeit alle Osterhasen Cabo Verdes verwurstet. Grausam.
Trotzdem, oder gerade deshalb, hat Delta Cultura sein Ostertreffen in Tarrafal angesetzt. Für mich waren es sehr angenehme Wochen. Ich bekomme ja (fast immer) gerne Besuch. Noch viel mehr wenn es sich um meine Familie handelt. Mit meiner geliebten Schwester Angelina hatte ich viele anregende Gespräche. Sie hat an viele Dinge eine andere Herangehensweise als … als wer? … als z.B. James Bond … entschuldige Angelina! So oft fange ich Sätze ganz ernsthaft an und dann fällt mir plötzlich der verfluchte James Bond ein. Furchtbar.
Also: meine Schwester hat an viele Dinge eine andere Herangehensweise als Otto Normalverbraucher. Wobei ich gar nichts gegen Otto habe. Gott behüte. Aber oft, sehr oft, kann es nicht schaden wenn man gewisse Dinge auch mal aus anderen Blickwinkeln betrachtet. Und das kann meine Schwester. Und ich hab das gern. Das macht das schöne Leben noch schöner und das furchtbare Leben noch furchtbarer …
Aber nicht nur mit meiner Schwester und ihren Freundinnen haben wir eine schöne Zeit verbracht. Mit der Obfraufamilie Zimmermann haben wir Delta Cultura diskutiert, Entwicklungszusammenarbeit analysiert, portugiesische Osterhasen seziert (Bernie ist ja Tierarzt!), Josefs Gutenachtgeschichten überarbeitet und ansonsten versucht der lieben Familie Urlaub zu verschaffen!
Die Zeit mit Familie Umathum war auch auf Grund von verpassten Fliegern sehr kurz. Zu kurz um Einblick in die jeweils andere Sicht der Dinge zu erlangen.
Leider gab es auch einige Spannungen. Spannende Spannungen. Obwohl das nicht stimmt. Es gab EINE Spannung. Und das ist angesichts der Menge an Menschen die zusammengekommen sind und dem Zeitraum von 3 Wochen doch nichts Aussergewöhnliches?!
Der Grund: 30€ die in die Gemeinschaftskasse wandern hätten sollen, anstatt dessen faul in irgendeiner Geldtasche herumgelegen sind, dumme Sprüche über Kichererbsen provoziert haben und am Ende alles gar nicht so gemeint hatten. Blöde Geschichte. Kann auch Delta Cultura passieren. Wie sagt man so schön: wo gehobelt wird, fallen auch Kichererbsen … wenn auch viel zu wenige.
Es spannte zunächst zwischen dem Mann der Obfrau von Delta Cultura Österreich und der Leiterin des Audioworkshops und als sich diese abfällig über meine mir Angetraute geäussert hat auch zwischen mir und der Audioworkshopleiterin und darum dann auch zwischen meiner Frau und der Audioworkshopleiterin und darum dann auch zwischen mir und der Vize-Obfrau von Delta Cultura Österreich und darum dann auch zwischen meiner Frau und der Vize-Obfrau von Delta Cultura … Die liebe Vize-Obfrau von Delta Cultura Österreich, Ariane Umathum, hat sich diese Kichererbsendiskussion – meiner Meinung nach – etwas zu sehr zu Herzen genommen. War anscheinend überrascht, dass auch so herausragende Projektleiter wie ich Schwachstellen haben, nicht immer freundlich und zuvorkommend sind, nicht allen Menschen fortwährend Respekt entgegenbringen, über Kichererbsen abfällig kichern können und so Zeugs halt.
Ariane hat nach ihrer Rückkehr ihren Rücktritt als Vize-Obfrau bekanntgegeben. Ich glaube nicht, dass die blöden Kichererbsen was damit zu tun haben?! Uns von Delta Cultura tut es natürlich Leid um die wertvolle Unterstützung die wir verlieren! Wir wollen Ariane und ihrer Familie an dieser Stelle herzlich für Alles danken was sie für die Kinder und Jugendlichen Tarrafals getan hat.
Und wie ich das so sitze und erzähle fällt mir wieder einmal auf wie schnell die Zeit vergeht. Dieses Ostertreffen kommt mir schon wieder vor als wäre es zu Weihnachten gewesen. Vielleicht ja auch deshalb, weil dauernd irgendwas passiert. So wie vergangenen Samstag als sich folgende Geschichte begeben hat:
Ich habe gerade meine Töchter vom Zahnarzt in Praia zurück nach Tarrafal chauffiert, als mich der Anruf meiner Frau erreicht hat: es sei in den Informatikraum des Zentrums eingebrochen worden. Nach erster Analyse seien mindestens 3 Laptops gestohlen worden. … Ach, wurde mir froh ums Herz! Wie reizend das Leben doch sein kann: Zahnarzt und Einbruch innerhalb weniger Stunden. Herrlich! Vielleicht hat das ja sogar gleichzeitig stattgefunden. Vielleicht stecken Zahnarzt und Einbrecher ja auch unter einer Decke? … Nein! Der Fortgang der Geschichte widerlegt das.
Zurück in Tarrafal habe ich von Marisa die Einzelheiten erfahren. 3 Buben kamen Samstag Vormittags ins Zentrum. Da war – wie meistens am Wochenende – nur der Wächter da. Dem haben sei mitgeteilt sie hätten Hunger. Also hat er ihnen von seinem Essen gegeben.
Diese Freundlichkeit haben sich einige Kühe zu Nutzen gemacht und haben sich an das Zentrum angeschlichen. Aber unser aufmerksamer Wächter hat sie entdeckt bevor sie Schaden anrichten konnten. Die unerwünschten Eindringlinge mit einem Steinwurf zu vertreiben löst das Problem meist nur kurzfristig. Daher hat der Wächter beschlossen die Viecher weiter weg zu treiben. Er hat die Buben gebeten kurz aufzupassen. Das haben sie auch ganz ausgezeichnet getan. Nur haben sie während dem Aufpassen auch ein Fenster des Informatikraumes eingeschlagen und die erwähnten 3 Laptops sowie 3 USB-Sticks gestohlen.
Als der Wächter zurückgekommen ist waren die Buben verschwunden. Kurze Zeit später hat er das eingeschlagene Fenster entdeckt, Marisa informiert, die mich angerufen hat …
Marisa war mit einem der drei Buben gerade auf der Polizeistation als ich gekommen bin. Der Bub hat allerdings alles geleugnet. Er hat seinen engelsgleichen Charakter beschworen!
Dann hat Marisa auch die beiden anderen Buben ausfindig gemacht und sie auf die Polizeistation gebracht. Die haben natürlich auch von Nichts gewusst. Nur haben sich ihre Aussagen von denen des ersten Buben sehr wesentlich unterschieden. So mussten sie auf die Ankunft des Polizeipräsidenten warten.
Marisa und ich sind derweil ins Zentrum. Wir hatten da so eine Ahnung … 3 Buben mit Laptops unterm Arm würden in Tarrafal sofort auffallen. Das wissen auch die Buben. Also was macht man? … Genau! Die gestohlenen Dinger in einem Busch verstecken. Marisa hat sie schnell gefunden. Allerdings waren es nur zwei. Als wir das der Polizei mitgeteilt haben, hatten die zwei Buben bereits gestanden. Der dritte Laptop war im Haus eines der Buben.
Ich bin dann noch mit dem Polizeipräsidenten, einem Polizisten sowie dem Buben durchs Dorf gefahren um den Vater des Buben ausfindig zu machen. Er ist Wächter am Strand und dafür zuständig, dass niemand Sand stiehlt. Wie ich in meinem Gespräch mit dem Buben – Romario – erfahren habe, lebt er mit seinem Vater alleine. Die Mutter ist in Praia und er hat kaum Kontakt mit ihr. Romario ist bekannt für seine Diebstähle. Wie ich finde sieht man ihm das auch an. Ich kann ihn mir sehr gut als zukünftigen Gangsterboss vorstellen. Und würde ich einen Film über Kinderbanden drehen, würde ich ihn umgehend als Hauptdarsteller engagieren.
Natürlich habe ich mich sehr über ihn und seine Aktion geärgert. Trotzdem hat mir der Besuch in seinem Haus, in dem wir waren um den Laptop abzuholen, sehr zu denken gegeben. Ein altes Steinhaus. Behelfsmässig gedeckt. Weder der Vater noch das Dach haben einen ganz dichten Eindruck gemacht. Die Eingangstür aus ein paar zusammengenagelten Brettern. Drinnen ein ca. 16m2 grosses Wohnzimmer mit einem Tisch und ein paar Sesseln. Eine Zwischenwand aus Vorhängen trennt das Schlafzimmer in dem Vater und Sohn schlafen von dem „Wohnbereich“. Im Hof eine Küche. Wie die Feuerstelle bezeugt kochen die Beiden mit Holz.
Der Polizeichef, ein Polizist, Romario und sein Vater sind hineingegangen. Als ich an Romario seinem Gesicht bemerkt habe wie peinlich ihm sein ärmliches Haus ist, bin ich in der Eingangstür stehengeblieben … Und in derartigen Situation bin ich mir dann immer verflucht sicher: „Ich an seiner Stelle würde auch Laptops stehlen, Drogen dealen, Banken überfallen … ich würde einfach Alles tun um dieser Armut, für die ich mich auch noch schäme, zu entkommen!“
Viel fällt mir dazu noch ein. Aber das behalte ich für mich. Weil der Wahrheit werde ich mit mehr Informationen, Details und Gedanken auch nicht näher kommen. Ich bin schon fast versucht zu sagen, dass Romario ein Recht darauf hat zu stehlen! Aber ich sage das nicht, weil …
Informationsflut. Da hab ich etwas gelesen was mir zu Denken gibt. Es ging um ganz einfache, belegbare Informationen zu einer Sache. Informationen die für Interessierte durchaus zugänglich sind. Die aber auch für gewisse ‚Kreise’ von grossem Nachteil sind. Und wie wird jetzt verhindert, dass diese Informationen Schaden anrichten können. Es wird einfach massenhaft zusätzliche, falsche, halbrichtige, verdrehte Information gegeben. Sodass man sich in der Informationsflut verliert … Der Verfasser des Artikels vergleicht es mit dem Märchen von Hänsel und Gretel: es räumt also niemand die Kieselsteine weg die den richtigen Weg zeigen, sondern es werden einfach massenhaft zusätzliche Kieselsteine verstreut die den Weg verschleiern.
Ich muss zugeben es ist dies ein Bericht mit ein bisschen zuviel Abschweifungen (Kieselsteinen?) und zuwenig Informationen über das Kinder- und Jugendzentrum, über unsere Aktivitäten, Erfolge und Niederlagen. Aber es gibt ja Gott sei Dank unsere Internetseite die nur so überquillt vom aktuellen Tagesgeschehen und ich werde jetzt auch noch versuchen die ganz wichtigen Dinge der ersten Monate 2010 zusammenzufassen.
Unsere 3 monatige Informatikausbildung ist Mitte März zu Ende gegangen. Abschluss war der bereits erwähnte Audioworkshop bei dem die Jugendlichen noch gelernt haben aufzunehmen, Aufnahmen in den Computer einzuspielen und dort zu bearbeiten.
Ich selbst habe den 8 Jugendlichen ja auch noch ein paar Unterrichtsstunden Excel gegeben. Und ich muss sagen ich war sehr positiv überrascht. Ich habe dieses Rechenprogramm ja auch immer in unseren Informatikgrundkursen unterrichtet und es war immer sehr mühsam.
Bei den Jugendlichen dieses Kurses aber war es leicht und schnell ihnen das Programm beizubringen. Es hat fast schon ausgereicht ihnen zu sagen was das Programm kann und sie haben dann herausgefunden wie man das anstellen muss. Gutes Niveau also. Gratulation an Fu und Jenny, die unsere Jugendlichen ausgebildet haben. Gute Arbeit. Die eigentlich auch belohnt gehört. Findet unser Kooperationspartner, das Caboverdeanische Institut für Arbeit und professionelle Ausbildung, allerdings nicht. Bis heute (immerhin 6 Monate nach Ausbildungsbeginn!) haben die Beiden noch kein Gehalt bekommen. Zunächst wurde die Auszahlung mit immer neuer Bürokratie hinausgezögert, dann war der Onkel des Direktors des Institutes todkrank (ich weiss nicht ob er überlebt hat!?), dann hatte der Kassier des Institutes einen Autounfall (er hat überlebt, hat seine Arbeit aber nie mehr aufgenommen!?) und jetzt heisst es seit Wochen die Auszahlung stehe kurz bevor. Lästig. Einfach nur lästig und alles andere als seriös! … Aber die Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen ist ganz ganz wichtig um zu zeigen, dass Delta Cultura ein seriöser Verein ist, dem vertraut werden kann, der anerkannt ist … ? … ?? … ??? …
Zwei der Jugendlichen die die Ausbildung abgeschlossen haben, haben jetzt die Verantwortung für den Informatikraum des Zentrums übernommen. Warten die Rechner, setzen neue Rechner auf, reparieren kaputte Teile und scheinen das recht gut zu machen. Delta Cultura zahlt die Beiden nicht, sondern sie können Informatikgrundkurse geben und dafür geringe Gebühren verlangen, die dann ihnen gehören. Auch wenn Leute mit kaputten Rechnern zu uns kommen, leiten wir die an die Beiden weiter und sie verhandeln den Reparaturpreis. So also spielt sich das jetzt ab. Nicht ohne Bruststolz kann ich dazu sagen: diesen Beiden Jugendlichen haben wir WIRKLICH geholfen.
Die grosse Besuchszeit war Ostern. Aber auch danach haben wir noch liebe Menschen bei uns im Haus gehabt. Vanessa, die Gründerin von Delta Cultura Deutschland, und ihre Freundin Lena. Drei Wochen haben sie bei uns im Haus gewohnt und dabei nicht ein einziges Mal über Kichererbsen gekichert, geschweige denn gelästert.
Vanessa kam um Feldforschung für ihre Diplomarbeit zu machen. Ihr Thema: Kreolische Identität in Musik und Tanz der Insel Santiago … oder so ähnlich!? Sie hat mit allen möglichen Leuten Interviews geführt, Bücher gekauft und angefangen sich in das Thema einzulesen. Ich freue mich auf ihre fertige Arbeit und wenn wir dürfen werden wir sie natürlich auf unserer Internetseite veröffentlichen!
Vanessa hatte sich fest vorgenommen mit der Neuigkeit der abgeschlossenen Gründung von Delta Cultura Deutschland nach Tarrafal zu kommen. Leider hat ihr das deutsche Finanzamt diesen Wunsch nicht erfüllt. Die Sachbearbeiterin kommt mir ihrer Arbeit nicht nach weil sie immer nur Donnerstags Vereinsangelegenheiten bearbeiten darf. So die Begründung warum da seit Monaten nichts weitergeht. Irgendwas erinnert mich dabei an das Caboverdeanische Institut für Arbeit und nicht ausbezahlte Gehälter.
Nach ihrer Rückkehr bekam Vanessa dann doch Nachricht von der besagten Sachbearbeiterin. Leider müssen nochmals ein paar kleine Änderungen an den Statuten vorgenommen werden. Alles nicht so leicht im Verbots- und Gebotsland Deutschland.
Nebenbei: wenn man mit Gesetzen und so Zeugs tatsächlich in dem Maße verbessern und regulieren kann wie das weithin behauptet wird, frage ich mich warum in Europa noch nicht das Paradies ausgebrochen ist?!
Ein weiterer absoluter Höhepunkt der letzten Monate war die Fertigstellung der CD/DVD der Batukinhas Fidjus di Delta. Marisas ‚kleine’ Batukugruppe. ‚Klein’, weil die Mädchen noch relativ klein sind. Zwischen 6 und 14 Jahre alt. Sie verdanken diese CD/DVD einem caboverdeanisch-amerikanischen Geschäftsmann der die Produktion finanziert hat.
Delta Cultura hat zunächst einmal 500 Stück bekommen und darf diese in Cabo Verde und Europa verkaufen. Wobei aus dem Verkauf in Cabo Verde wohl kaum mit Einnahmen zu rechnen sein wird.
Ein paar Tage nach Erscheinen der CD/DVD ist Marisa in Praia über den Markt spaziert und hat bereits überall Raubkopien gesehen. Na ja. War nicht anders zu erwarten.
Was wir uns allerdings schon erhoffen sind Einnahmen durch den Verkauf der CD über unsere Internetseite. Dort kann man auf den Button goodshirt.net klicken, die CD bestellen und schon liegt sie im Postkasten. Zwischendurch muss man halt noch schnell 18€ und Versandkosten an uns überweisen, aber das fällt vielleicht bisschen leichter wenn man weiss, dass dieses Geld nicht an BP fliest sondern an Delta Cultura!?
Die kleinen Batukinhas haben nicht nur das Glück mit dem Geschäftsmann gehabt, sondern sie haben auch schon weitere caboverdeanische Grössen für sich gewinnen können: Ana Hopfer Almada, Universitätsprofessorin in Praia und Frau eines Politikers der aller Voraussicht nach nächster Präsident Cabo Verdes wird, ist Patin der Gruppe, liebt die Kinder und hilft jetzt bei der Organisation der Präsentationsveranstaltung die am 6. Juni in Praia im Auditorio Nacional stattfinden wird. Das wird sicher ein weiteres Highlight im Batukuleben der Kinder!
Und dann waren da noch ein Gemüse, ein Garten, ein Tröpfchen und eine Bewässerung. Wir haben es zusammengewurstelt und daraus einen Gemüsegarten mit Tröpfchenbewässerung gemacht. Das hiesige Landwirtschaftsministerium hat das Tröpfchen gespendet. Also die Schläuche aus denen diese entweichen. Und sie helfen uns bei der Betreuung, bringen uns Samen, erklären wie man aussät, wann wie lang und warum man bewässert, etc. Deren Bemühungen haben uns vergangene Woche erste Karotten beschert.
So schön dieses Projekt ist, so bin ich doch etwas überrascht wie viel Wasser man auch mit Tröpfchenbewässerung benötigt. Unser Verbrauch hat sich mehr als verdoppelt. Und wir müssen das verfluchte Nass ja mit noch verfluchteren Tankwagen ins Zentrum bringen lassen.
Zwei Hoffnungen lassen mich den Gemüsegarten am Leben halten. Zum Einen der eventuell, vielleicht, baldige Verkauf von Gemüse, der zumindest die Mehrkosten an Wasser finanziert. Und der eventuell, vielleicht Anschluss an das öffentliche Wassernetz. Schliesslich verkauft die Gemeinde ja bereits Land in der Umgebung des Zentrums. Und die Käufer wollen dann sicher auch Wasser oder zumindest irgendwas Flüssiges.
Also derweil betreuen unsere Wächter den Garten weiterhin, vertreiben Kühe, Ziegen und Schafe, bewässern 10 Minuten täglich und jäten was das Zeug hält.
Und fast ganz zum Schluss noch eine erfolgreiche Erfolgsgeschichte. Tanztheater global! Die deutschen Künstlerinnen und Künstler, Tänzerinnen und Tänzer kommen wieder! Nach dem wunderschönen Projekt Silencio, Saudade e Sonho bei dem sie im November 2009 mit 30 Jugendlichen aus Tarrafal eine Video-Tanz-Theater-Inszenierung erarbeitet haben, kommen sie Ende Jahr wieder um 6 dieser Jugendlichen in modernem Tanz weiterzubilden und mit ihnen eine weitere Inszenierung zu erarbeiten.
Wiederum handelt es sich um eine Kooperation tanztheater global und Delta Cultura Cabo Verde und wiederum finanziert das Deutsche Aussenamt. Sehr nett von diesem Amt!
Was wir noch versuchen zu finanzieren ist ein kleine Tournee dieser Inszenierung innerhalb Cabo Verdes. Die Inseln Santiago, São Vicente und Sta. Antão sollen auch in den Genuss dieser Aufführung gelangen.
So und jetzt hör ich auf zu berichten. Ich möchte nur noch kurz erwähnen, dass ich eventuell im verfluchten Sommer in das verdammte Europa reisen will können vielleicht. Fällt jemanden ein was ich dort machen könnte? Also bezüglich Delta Cultura meine ich.
Ich dachte ich könnte Vorträge halten darüber wie man Berichte schreibt, wie man Kichererbsen püriert, wie man öffentliche Stellen lobt, wie man sich selbst blöd darstellt und andere wichtige Sachen.
Aber ernsthaft: sagen wir mal ich bin im Juli in Österreichdeutschlandschweiz. Wenn jemand Stellen kennt bei denen ich vorsprechen kann, das Projekt präsentieren kann, dann bitte mir mitteilen.
Abschliessend nochmals der Hinweis auf den Ideenwettbewerb: Wie finanziere ich ein Kinder- und Jugendzentrum auf 20 Jahre!
Ich freu mich!
Alles Liebe,
Florian